Die KI wird die Welt verändern wie keine Technologie zuvor. Warum bin ich da so sicher? Die Technologie imitiert die kognitiven Fähigkeiten von uns Menschen – und das zu unglaublich niedrigen Grenzkosten. Wie ich im letzten Blogartikel gezeigt habe, ist dies das Muster jedes großen technologischen Wandels in der Geschichte. Nur am Anfang sind Arbeitsplätze in Gefahr, danach fluten wir die Welt mit Innovationswellen. Diese brachten jedes Mal mehr Arbeitsplätze als je zuvor.
Mein Lieblingsbeispiel für diesen Mechanismus? Die Aquädukte im alten Rom. Natürlich verloren anfangs einige Wasserträger ihren Arbeitsplatz. Aber als die Grenzkosten für frisches Wasser tatsächlich bei Null lagen, verwandelte sich das alte Rom. Es entstand eine sanitäre Infrastruktur, die ihres Gleichen suchte: Abwasserkanäle wie die Cloaca Maxima, Gemeinschaftstoiletten und bis zu 1000 Bäder einfach nur zum Spaß.
Die neue Technologie befreite die Menschen nicht nur von der Last des Wasser tragens, sie verbesserte auch die sanitäre Situation in der Megalopole. Es entstanden auch völlig neue Nutzungsformen für Wasser: Straßenreinigung, Wasserversorgung im Haushalt, Antrieb von Maschinen, neue Herstellungsverfahren, bessere Bewässerung in der Landwirtschaft und sogar simulierte Seeschlachten zur Unterhaltung.
Source: https://www.wissenschaft.de/geschichte-archaeologie/verbleites-trinkwasser-im-alten-rom/
Unser ganzes KI-Ökosystem muss wachsen!
Die Investitionskosten für die Wasserinfrastruktur waren riesig, dafür aber war jeder zusätzliche Liter Wasser praktisch kostenlos. Die daraus entstehenden Verbesserungen der sanitären Einrichtungen, des Wohlstands und der Lebensqualität sind das, was der ECO-Verband in seiner jüngsten Studie „Spillover-Effekte“ nennt. Natürlich redet der Ecommerce-Verband nicht über Abwasserkanäle, er redet über KI-Infrastruktur als Rückgrat des zukünftigen Wirtschaftswachstums in Deutschland. („Spillover-Effekte von Rechenzentren: Rückgrat der KI-Revolution in Deutschland.“)
Die Lehren aus der Geschichte des alten Roms und der Forschung des ECO-Verbands also sind klar: wir in Deutschland KI-Rechenzentren bauen. Die Idee klingt einfach, erweist sich im Detail aber als Herausforderung. Um Datenzentren zu bauen und messbare Spillover-Effekte zu erzeugen, muss Deutschland in sein gesamtes KI-Ökosystem investieren. Ein solches System besteht nicht nur aus ein paar spezialisierten IngenieurInnen, die Server-Hallen bauen und mit GPUs bestücken. Es geht um die komplette Wertschöpfungskette von physischen Ressourcen (wie Boden, Energie und Wasser) über Technologie (wie Grafikprozessoren, Netzwerke und Kühlung) bis hin zu besserer Regulierung, Kapital und schließlich Investitionen in Menschen und die Weiterentwicklung unserer Kultur.
Von der KI-Infrastruktur zu Spillover-Effekten für alle
Gemeinsam mit der Expertengruppe „KI-Infrastruktur“ aus dem KI-Park haben wir eine Übersicht jener Komponenten erstellt, die zu einem erfolgreichen KI-Ökosystem gehören:
- Mensch & Kultur: Offenheit für neue Technologien, optimistische Risiko-/Chancenabwägung, Umgang mit Ambiguität, Experimentierkultur, Adoptionsgeschwindigkeit.
- Regulierung: Ausreichende Klarheit der Regulierung, Raum und Anreize für Innovation, akzeptables Risiko für Investoren, Kohärenz der föderalen Ebenen, Kohärenz der Regulierungsziele.
- Technologie: Zugang zu relevanten Daten, KI-verwendende Anwendungen, Zugang zu grundlegenden Modellen, Verfügbarkeit von Chips, Verfügbarkeit von Rechenzentren, zuverlässige Netzwerke.
- Physische Ressourcen: Platz für Rechenzentren, Zugang zu ausreichender Energie, Zugang zu Kühlungsressourcen, Zugang zum Datennetz, Zugang zum Wärmenetz.
- Kapital: Risikokapital für die Start- und Wachstumsphase von Start-ups, öffentliche und private Investitionen in die KI-Infrastruktur, Anreize für Forschung und Entwicklung.
1: Der Mensch bleibt im Mittelpunkt – auch bei KI
Auch wenn wir über künstliche Intelligenz sprechen, bleibt die Menschen und deren Umgang miteinander, im Zentrum des KI-Ökosystems. Konkret benötigen wir insbesondere folgende Typen Mensch:
- KI-ExpertInnen: ForscherInnen, DatenwissenschaftlerInnen, DateningenieurInnen, SoftwareingenieurInnen, ExpertInnen für Chips, Hardware, Netzwerke, Sicherheit und mehr.
- Ökosystem-Experten: Qualifizierte ExpertInnen zur Unterstützung der Kern-KI-ExpertInnen in den Bereichen Recht, Energieinfrastruktur, Gebäudemanagement, Bildung und mehr.
- Führungspersönlichkeiten: Führungskräfte, InvestorInnen und politische EntscheidungsträgerInnen, welche die Entwicklung des KI-Ökosystems ermöglichen und fördern.
- VerbraucherInnen: EndverbraucherInnen und Unternehmen, die KI-Dienste nachfragen, sie nutzen, Wettbewerb schaffen, Feedback und Orientierung geben.
Der Erfolg des KI-Ökosystems aber hängt zudem davon ab, wie diese Menschen miteinander interagieren. Wenn eine neue Technologie „Hello World“ sagt, reagieren verschiedene Kulturen unterschiedlich. Einige sehen sofort die Risiken, andere konzentrieren sich eher auf Chancen. Einige setzen sich hin und denken nach, andere fassen an und experimentieren. Einige konzentrieren sich auf sich und rennen los, andere denken an ihre Umwelt und daran, was ‚Rennen‘ für diese bedeuten würde.
Ein erfolgreiches Ökosystem mit einem, in Summe, positivem Beitrag weist die folgenden Merkmale auf:
- Offenheit und Optimismus: Offenheit gegenüber neuen Technologien und den damit einhergehenden Veränderungen. Die Überzeugung, dass die Gesellschaft von neuen Technologien profitiert und es ihr gelingen wird, die Risiken zu managen.
- Agilität und Schnelligkeit: Die Bereitschaft von Entscheidungsträgern und Ingenieuren, zu experimentieren, aus Fehlern zu lernen und danach weiter am Fortschritt zu arbeiten.
- Ethik und Inklusion: Fähigkeit, alle relevanten Interessengruppen und ihre unterschiedlichen Ansichten in den Gesamtprozess einzubeziehen. Ethisch gute Entscheidungen und starke gesellschaftliche Institutionen.
Was wäre der größte soziale Hebel, um Deutschlands KI-Ökosystem weiterzuentwickeln? Wir brauchen eine chancenorientierte Denkweise.
In der Geschichte hat unser Land in Summe immer von neuen Technologien profitiert. Ähnlich wie die industrielle Revolution den Himmel über dem Ruhrgebiet zeitweise verdunkelte, so wird auch die KI ungewünschte Effekte mit sich bringen. Die Antwort damals war: intelligente Regulierung, wieder neue Technologien (Filter) und am Ende ein weiterer Strukturwandel mit wieder mehr Lebensqualität.
Wir sollten nicht glauben, dass die Schattenseiten der künstlichen Intelligenz uns nicht erreichen, nur weil wir abwarten.
2: Das Potpourri der Regulierung handhabbar machen
Schon bevor die EU ihr KI-Gesetz einführte, gab es eine Reihe von Vorschriften, die das KI-Ökosystem in Deutschland betraffen. Der Datenschutz regelt, welche Daten für welchen Zweck verwendet werden dürfen. Unternehmen aus kritischen Infrastrukturen wie Banken oder Energieversorgern unterliegen besonderen Vorschriften zu ihrem Umgang mit IT. Es gibt Exportkontrollen für Hard- und Software, es gibt Vorschriften zur Optimierung des Energieverbrauchs von Rechenzentrenes gibt das Baurecht im Allgemeinen, es gibt kommunale Bauvorschriften im Besonderen und es gibt Vorschriften zur Cybersicherheit.
Alles das folgt guten Absichten. KI-Modelle sollen sich verantwortungsvoll verhalten, KI-Infrastrukturen sollen für alle sicher sein. Emissionen sollen niedrig sein, Wärme soll wiederverwendet werden, und die Gebäude von Rechenzentren sollen ihre Nachbarn nicht stören. Aber was passiert, wenn Wärme zum Heizen der Häuser in der Umgebung genutzt werden soll, die Anwohner aber kein industrielles Rechenzentrum in der Nähe wünschen? Noch schlimmer: Was passiert, wenn Energie nur auf dem norddeutschen Land verfügbar ist (wegen des Windes), es genau dort aber zu wenige Häuser zum Heizen gibt?
Der größte regulatorische Hebel für ein blühendes KI-Ökosystem in Deutschland wäre denn auch ein intelligentes, klares und kohärentes Regelwerk, das für Investoren einfach zu handhaben ist und diesen klare Anreize bietet.
Ein positives Beispiel? Als das BMWi beschloss, sein Regelwerk für Solaranlagen auf Balkonen („Balkonkraftwerke“) zu optimieren löste es, wenig überraschend, ein beispielloses Wachstum dieses Sektors aus.
3: Im Technologiebereich fehlt der sichere Zugang zu Chips und KI-Modellen
Technologie ist ein weit gefasster Begriff. Wenn wir über ein gesundes KI-Ökosystem sprechen, bezieht sich dieser speziell auf:
- Daten: Hochwertige, vielfältige und repräsentative Datensätze, Data Governance und Compliance-Rahmenwerke.
- Anwendungen: Branchenspezifische KI-Lösungen, universelle KI-Tools und -Plattformen, Modellbereitstellungs- und Überwachungssysteme, kontinuierliche Integration und Bereitstellung für KI.
- KI-Modelle: Vorgefertigte große Sprachmodelle und andere Basismodelle, APIs und Schnittstellen für den Modellzugriff und die Feinabstimmung, Frameworks und Bibliotheken für maschinelles Lernen, AutoML und Tools zur Modelloptimierung.
- Chips: Spezialisierte KI-Hardware (z. B. GPUs, TPUs, NPUs), Edge-Computing-Geräte für geräteinterne KI.
- Rechenzentren: Cloud-Computing-Infrastrukturen, HPC-Einrichtungen (High Performance Computing), spezialisierte KI-Infrastrukturen.
- Datennetze: Hochgeschwindigkeits-Internetverbindungen, 5G und zukünftige Netzwerktechnologien (für Edge)
- Akteure des Ökosystems: Partnerschaften zwischen Wissenschaft und Industrie, Open-Source-KI-Gemeinschaften und -Initiativen, Ökosysteme für die gemeinsame Nutzung und Monetarisierung von KI-Modellen und -Anwendungen, kollaborative Plattformen für die KI-Entwicklung.
- Cybersicherheit: Robuste Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von KI-Systemen und -Daten, sichere Enklaven für sensible KI-Workloads.
Deutschland verfügt in vielen Bereichen der Technologie über ein hohes Maß an Expertise. In zwei Bereichen, die für das KI-Ökosystem besonders wichtig sind, können wir jedoch nicht mit weltweit führenden Unternehmen mithalten:
- Software Scale-Ups: Es gibt kein deutsches Unternehmen, das mit amerikanischen Anbietern von Large Language Models wie OpenAI, Meta, Google und X mithalten kann. Es fehlt uns die großen Softwareunternehmen, welche diese Modelle in ihre Standarddienste integrieren und mit Geschäftsmodellen versehen (Bsp: Microsoft365 oder GitHub Copilot).
- Wertschöpfungskette Chips: Einige deutsche Unternehmen sind besonders stark bei Halbleitern für Automobil- und Industrieanwendungen (wie Bosch). Dennoch ist unser Beitrag zur Wertschöpfungskette der High-End-Chips eher gering (z. B. Zeiss).
Beide Hebel hätten erhebliche positive Auswirkungen auf unsere KI-Landschaft. Mehr Unternehmen, mit eigenen KI-Modellen, würden die Nachfrage nach KI-Infrastruktur erheblich steigern. Ein größerer Beitrag zur globalen Halbleiter-Wertschöpfungskette hingegen würde Europas Verhandlungsposition im geopolitischen Poker um Chips deutlich verbessern.
4: KI hat viel mit physischen Ressourcen zu tun
Viele Komponenten eines KI-Ökosystems sind virtuell: Algorithmen, Modelle, Dienstleistungen, Regulierung, Cybersicherheit, um nur einige zu nennen. Die Grundlage für all dies ist jedoch immer noch physisch:
- Standort: Platz für wenige, aber sehr große Rechenzentren, Platz für Umspannwerke, verteilte Rechenzentren für bessere Latenz und Redundanz.
- Gebäudemanagement: Die physikalische Errichtung der Rechenzentren, Ressourcen und Wissen für deren Wartung.
- Energieressourcen: Zugang zu ausreichender und zuverlässiger Energieversorgung, erneuerbare Energiequellen für Nachhaltigkeit.
- Kühlsysteme: Effiziente Kühllösungen für Rechenzentren, Potenzial für Flüssigkeitskühltechnologien.
- Netzzugang: Hochgeschwindigkeits-Datennetze mit geringer Latenz, robustes Internet-Backbone und internationale Konnektivität.
- Wärmenutzung: Zugang zum Wärmenetz für die Wiederverwendung von Abwärme, Integration von Fernwärmesystemen.
- Sicherheit: Physische Sicherheit von Rechenzentren, Brandmelde- und Sicherheitstechnik bis hin zu intelligenten Gebäudefunktionen wie Energiemanagement, Raumsteuerung, Buchungen und Zugangsmanagement.
Die größte positive Auswirkung für das KI-Ökosystem in Deutschland wäre eine höhere Verfügbarkeit von sauberem Strom.
5: Money makes the world go round
Ein weiterer Faktor wirkt katalytisch auf fast alle anderen genannten Komponenten: das Kapital. Finanzielle Investitionen sind in fast alle Teile des KI-Ökosystems notwendig:
- Grundlagenforschung: Unterstützung von Forschung in den Bereichen Halbleiter, Algorithmen, Stromerzeugung, Energienetze und mehr.
- Bildung: Aus- und Weiterbildung in praktisch allen Branchen sowie der Verbraucher.
- Risikokapital: Startkapital für Innovationen und von Serie A/B/C-Finanzierungen, um globales Wachstum zu ermöglichen.
- Transformationsfonds: Unterstützung kritischer, aber bereits bestehender Branchen mit Finanzmitteln zur Umgestaltung ihrer Geschäftsmodelle ohne große Negativ-Effekte auf die Beschäftigten.
- Strategische Subventionen: Geopolitisch relevante Branchen werden oft von anderen Kontinenten und Ländern stark subventioniert (z. B. Solar in China). In diesen Fällen ist zusätzliche finanzielle Unterstützung erforderlich, um nationale Akteure am Leben zu erhalten.
Besonders kapitalintensiv, aber wirksam wären die folgenden Hebel:
- Energieversorgung: Schaffung neuer, umweltfreundlicher und dennoch zuverlässiger Energiequellen zur Versorgung der KI-Infrastruktur.
- Halbleiter: Stärkung des europäischen Beitrags zur Halbleiter-Wertschöpfungskette, insbesondere im High-End-Bereich.
- Software-Start-ups: Förderung von Software-Start-ups in Deutschland mit Fokus auf global wettbewerbsfähige Geschäftsmodelle (mit integrierter KI).
7 Maßnahmen auf dem Weg zum florierenden KI-Ökosystem
Die alten Römer bauten Aquädukte, mehr Produktivität und Wohlstand waren das Ergebnis. Wie können genau jene Spillover-Effekte erzeugen mit KI, der Technologie unserer Zeit? Ich sehe fünf wichtige Schrauben, an denen wir drehen sollten:
- Ausbau der Energieversorgung: Steigerung der sauberen Energieerzeugung, um den wachsenden Bedarf an KI-Infrastruktur und Rechenzentren zu decken.
- Mehr KI-Software-Scale-Ups: Förderung eines Innovations-Ökosystems aus dem regelmäßig KI-Start-ups zu großen, globalen Milliardenunternehmen heranwachsen.
- Chancenorientiertes Denken: Kommunikativer und inhaltlicher Fokus auf die Chancen der KI, statt auf mögliche, noch nicht eingetretene Risiken.
- Mehr Halbleiter-Wertschöpfung: Investitionen in heimische Halbleiterdesign- und Fertigungskapazitäten, um die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten zu verringern und die Entwicklung von KI-Hardware zu unterstützen.
- Vereinfachung der Regulierung: Deregulierung und mehr Köhärenz entlang der gesamten KI-Wertschöpfungskette.
Die obige Schaubild zeigt die 5 Vorschläge und enthüllt zwei weitere Erfolgs-Komponenten:
- Kapital: Die Skalierung von Softwareunternehmen, der Ausbau der Energieversorgung und ein größerer Beitrag zur Halbleiterindustrie erfordern einen enormen Zugang zu Kapital.
- Engagement und Disziplin: Der Ausbau der Energieversorgung, ein größerer Beitrag zur Halbleiterindustrie, die Änderung unserer Investitionskultur und die Vereinfachung von Vorschriften erfordern Leidenschaft und Disziplin.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Deutschland an einem entscheidenden Punkt der Entwicklung seines KI-Ökosystems steht. Durch die Konzentration die Themen Energieinfrastruktur, Software-Innovation, Halbleiterproduktion, Bereitstellung von Kapital, Deregulierung, Kulturwandel und Disziplin können wir uns zum führenden, globalen Akteure im Bereich künstliche Intelligenz entwickeln.